Laudatio ANDRITZ AG – DKA
“Laudatio” für die Andritz AG – Schandfleck-Gala am 20.2.2013
Belo Monte ist ein Zerstörungsprojekt! Hierzu könnte ich viele Details und Aspekte aufzählen – werde angesichts der knappen Zeit den gesehenen Filmausschnitt für sich sprechen lassen. Vielmehr möchte ich auf die Rolle der Andritz AG eingehen, die sich mit dem größten Einzelauftrag der Geschichte der Hydro Sparte an dessen Errichtung beteiligen will.
Seit wir Anfang 2010 begonnen haben, die Andritz AG für ihr – damals beabsichtigtes, jetzt vertraglich abgesichertes – 300-Millionen-Geschäft bei Belo Monte zu kritisieren, hören wir immer und immer und immer wieder das gleiche Argument:
„Ob Belo Monte gebaut wird oder nicht, entscheiden nicht wir, sondern die brasilianischen Firmen und Behörden. Wenn die notwendigen Genehmigungen vorliegen, liefern wir, weil sonst jemand anders liefert und sich damit an den Auswirkungen vorort nichts ändert. Brasilien ist eine Demokratie und ein Rechtsstaat und darum gibt es keinen Grund an den Verfahren oder den vorliegenden Genehmigungen zu zweifeln.“
Damit ist für das Management und insbesondere Dr. Leitner als Vorstandsvorsitzenden und 1/3-Eigentümer der Andritz AG praktisch alles gesagt. Dass dieses scheinbar felsenfeste Argument aber bröckelt, möchte ich mit einer kurzen Anekdote illustrieren:
Im Jahr 2011 war ich zum zweiten Mal bei der Andritz-Aktionsärsversammlung im Grazer Kongress. Uns Ziel war es, die allgemeine Feierlaune – immerhin konnte man trotzt allgemeiner Krise erneut höchst erfreuliche Geschäftsergebnisse präsentieren – durch kritische Fragen zu Belo Monte und anderen Zerstörungsprojekten mit Andritz-Beteiligung aufzumischen.
Dr. Leitner parierte gewohnt bestens vorbereitet und in höchst eloquenter Manier alle kritischen Anfragen zur größten Genugtuung der versammelten Aktionärsschaft.
Selbst sehr präzise Fragen etwa wie der – dem Unternehmen nachweislich vorliegende – Bericht einer unabhängigen Menschenrechtsplattform, der von “schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen” bei Belo Monte spricht, bewertete würde, wurde vom Vorstandsvorsitzenden mit dem allgemeinen zuvor paraphrasierten Argument weggewischt.
Nachfrage und Beharren meinerseits: Die Andritz Hydro sei Mitlglied bei Austrian Business Council RespAct und beteuere damit im Leitbild mehrfach seinen Einsatz für die Menschenrechte. Wie also geht man mit solch einem Bericht um? Trifft er zu, was heißt das für den Turbinen-Deal? Ist er falsch, welche anderen Informationen haben Sie?
Gleiche allgemeine Antwort…. und überhaupt: die NGOs wissen immer besser, was gut für die Brasilianer ist. Pauschaler Neo-Kolonialismus-Vorwurf. Und überhaupt: Belo Monte bringt der Region „Entwicklung“. … schließlich fahren die Indianer auch lieber auf einer Straße ins Krankenhaus als mit dem Einbaum. Mikro weg. Applaus des Auditoriums. Der vielfach ausgezeichnete Top-Manager des Landes hatte es diesen lästigen NGO-Zecken so richtig gezeigt. Später: ab zum Buffet. Man verleibt sich die „orale Dividende“ ein. Die Stimmung unserem Grüppchen gegenüber nehmen wir als belächelnd bis offen feindselig wahr.
An der Garderobe erlebten wir aber eine Überraschung: die Garderobenfrau, deren Jahreseinkommen geschätzte 0,5 Promille des Einkommens von Dr. Leitner – immerhin hat dieser 2012 nur an Dividenen auf einem 33 Mio. Euro überwiesen bekommen – nicht überschreiten dürfte sagt zu uns: „Da haben’s schon recht. Das gehört schon gesagt.“
Ich habe das damals so gedeutet, dass „Normalsterbliche“ durchaus ein moralisches Sensorium dafür haben, dass – auch wenn es vielleicht (noch) keine harte Rechtsvorschrift gibt, die eine Beteiligung an Zerstörungsprojekten wie Belo Monte verbietet – ein solches Handeln als illegitim und unmoralisch abgelehnt wird. Und so ist meines Erachtens auch der „Erfolg“ der Andritz AG bei der Publikumswahl zum „Schandfleck des Jahres“ zu sehen.
Warum hat sich die Andritz diesen Preis mehr als verdient?
- Wer gebetsmühlenartig das Argument wiederholt „Es gibt die Genehmigungen und damit ist alles in Ordnung!“ macht bewusst die Augen vor der Realität zu und stellt sich – zum eigenen Vorteil – naiv. Gleichzeitig werden von der Andritz AG die Argumente des Projektbetreibers ungeprüft weitergegeben und allgemein die Sinnhaftigkeit des Gesamtprojekts verteidigt. Selbst der UN Global Compact – von dem wir glauben, dass der er aufgrund seiner grundsätzlichen Freiwilligkeit nicht weit genug geht – wird eine menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen, die über das Einhalten der nationalen Gesetzgebung hinausgeht, festgemacht. Ein Unternehmen, das sich noch dazu einen CSR-Anstrich gibt, sollte wissen, dass die eigene Verantwortung weiter geht. Leitbilder und freiwillige Selbtverpflichtungen bleiben reine Sonntagsreden, wenn sie sich nicht auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auswirken. Die Umweltverträglichkeitsstudie und das Genehmigungsverfahren für Belo Monte wurde vor allem wegen der nicht oder nicht ausreichend durchgeführten Konsultation der betroffenen indigenen Bevölkerung von der ILO und der interamerikanischen Menschenrechtskommission scharf kritisiert, in Brasilien sind diesbezüglich eine ganze Reihe an Gerichtsverfahren anhängig: Bei Belo Monte ist keineswegs alles in Ordnung!
2. Andritz stellt sich der öffentlichen Debatte nicht!
Andritz wurde zu unzähligen Diskussionsveranstaltungen angefragt und hat meist nicht einmal auf die Anfrage reagiert. Andritz wurde unzählige Male um Interviews angefragt und schickt immer nur die praktisch gleich lautende, dürre schriftliche Rechtfertigung wie oben paraphrasiert. Von einem verantwortlichen Unternehmen würde man sich erwarten, dass es sich einer öffentlichen Debatte stellen und sein Handeln argumentieren kann und sich auf einen echten Stake-holder-Dialog einlässt… und das bringt mich zum dritten Punkt:
3. Andritz stellt sich der Situation vorort nicht!
Unseres Wissens hat es keine Gespräche von Andritz-Vertreter/innen mit kritischen brasilianischen Wissenschafter/innen, den sozialen Bewegungen und v. a. den Betroffenen vorort gegeben. Warum denn auch, wenn alles „rechtens, ordnungsgemäß und genehmigt“ ist und vor allem, wenn man selbst der falsche Ansprechpartner ist. Unser Appell an das Andritz Management ist: fahren sie hin, reden sie mit den Leuten – nicht nur mit den Betreibern! – und Sie werden sich nicht mehr so leicht dabei tun, dort alles „in Ordnung“ zu finden!
Abschließend möchte ich zurück nach Österreich kommen: Anfang der 1970er Jahre wollte die österr. Regierung die Wachau – nunmehr UNESCO Weltkulturerbe – durch ein Wasserkraftwerksprojekt überfluten. Durch den Protest der Bevölkerung wurde es gestoppt und 1982 endgültig fallen gelassen. Was, wenn man damals dem kurzfristigen Profitstreben der an der Errichtung interessierten Unternehmen nachgegeben hätten? Oder den Stimmen, dass man für Wirtschaftswachstum Energie braucht und dafür halt ein bisschen etwas opfern muss? Bei Amazonien geht es um die grüne Lunge der Erde und um das physische und kulturelle Überleben der indigenen Bevölkerung und noch um viel mehr. Sollen sich Andritz und Co durchsetzen, werden über 70 Großstaudämme in Amazonien gebaut? Alles in Ordnug?
Wir wünschen, Herrn Leitner eine „Undercover-Boss-Erfahrung“ mit der Dame, die für ihn in der Garderobe arbeitet. Nämlich ein Hören auf den gesunden Menschenverstand der sagt, kein Geschäftemachen mit Zerstörungsprojekten wie Belo Monte!
Herbert Wasserbauer, DKA