Laudatio MM Packaging
Grusswort zur Verleihung des Publikumspreises „Schandfleck des Jahres“ an Mayr-Melnhof Packaging am 20. Februar 2013 in Wien.
Verehrte Gäste,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
schon die Nominierung eines Unternehmens in der Auswahl für den „Schandfleck des Jahres“ ist ein sicheres Zeichen dafür, dass dort die Rechte von Beschäftigten sträflich missachtet werden. Dass das Publikum in der Internet-Abstimmung nunmehr Mayr-Melnhof-Packaging für diese Negativ-Auszeichnung auswählte, bestätigt alle Erfahrungen, die wir als Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft in Deutschland, unsere englischen Kollegen von Unite und die europäischen Gewerkschaften des grafischen Gewerbes (UNI Europa graphical) mit diesem Konzern gemacht haben.
Es ist bemerkenswert, dass das Publikum die Missachtung elementarer Arbeitnehmerrechte mitten in Europa bei dieser Abstimmung so schwerwiegend befand, dass Mayr-Melnhof-Packaging noch vor dem in der Öffentlichkeit viel bekannteren Textil-Discounter KiK und der Andritz AG landete. Bemerkenswert, weil die Missachtung von Rechten der Beschäftigten, die nicht nur in nationalen Gesetzen festgelegt sind, sondern auch im EU-Recht und im Rahmen der Vereinten Nationen über die ILO-Erklärungen eben gerade mitten in Europa geschieht und nicht nur in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Denn dies ist die Erfahrung, die wir Gewerkschaften mit Europas größtem Faltschachtelhersteller immer wieder machen müssen. Trotz eines Unternehmenskodex, der verspricht, die Rechte der Beschäftigten zu respektieren geschieht in der Praxis das Gegenteil. Gezielte und ständige Angriffe auf Betriebsräte und aktive Gewerkschafter sowie Behinderung deren Arbeit sind das alltägliche Standardprogramm, das von den örtlichen Geschäftsführungen der Mayr-Melnhof-Werke sicher nicht ohne Rückendeckung aus der Wiener Konzernzentrale exekutiert wird. Und wenn es wie im Fall der Schließung des Liverpooler Werks für die Arbeitnehmer um die berufliche Existenz geht, dann wird auch zu Mitteln wie falsche Anschuldigungen gegriffen und insbesondere Streikbruch europaweit organisiert.
Mayr-Melnhof-Packaging ist wahrlich ein „Schandfleck des Jahres“! Wir bedanken uns – auch im Namen unserer europäischen Partnergewerkschaften – beim Netzwerk Soziale Verantwortung für die Ausrichtung dieser Negativ-Auszeichnung und bei allen Abstimmenden für ihre Teilnahme und Entscheidung. Wir hoffen, dass der Konzern und sein Vorstandsvorsitzender Dr. Hörmannseder nunmehr die Gelegenheit nutzen, ihre ausschließlich an Gewinnsteigerung orientierte Politik der Missachtung von Beschäftigtenrechten aufgeben und den selbstgewählten Unternehmenskodex auch in der alltäglichen Betriebspraxis umsetzen lassen.
Siegfried Heim
Tarifsekretär Verlage, Druck, Papier
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesvorstand, Berlin